Wie umgehen mit extremen Teilen in der Kommunalvertretung? – eine Handlungsempfehlung

Wie umgehen mit extremen Teilen in der Kommunalvertretung? – eine Handlungsempfehlung

von Maximilian Wonke, Vorsitzender der SGK Brandenburg

Die Kommunalwahlen in Brandenburg liegen nun ein paar Wochen hinter uns. Vielerorts wurden von Parteien und Gruppierungen zahlreiche Mandate errungen, deren Anerkennung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung für einige ihrer Mitglieder in Frage zu stellen ist. Nicht ohne Grund werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Frage des Umgangs mit diesen gewählten Mandatsträgerinnen und -trägern stellt sich seit dem Erstarken rechter Parteien immer mehr. Nun stellen sie in vielen Kommunalparlamenten große oder gar die größten Fraktionen. Eine neue Betrachtung des Umgangs mit diesen Mehrheiten ist daher angeraten.

Mittel der demokratischen Parteienfamilie war es bisher, sich gegenseitig zuzusichern, dass man jede Kooperation ausschließe. Die symbolische Brandmauer war schnell proklamiert, ist in aller Munde und ihr Standhalten wird stets nach außen hin bekräftigt. Eine genaue Definition, was diese Brandmauer auszeichnet und ausmacht, gab es jedoch nie.

Und nun, in den Nachwehen des erschreckenden Votums der Wähler, tönt es aus vielen Seiten unseres Landes: „Die Brandmauer ist gefallen!“ Unterschiedliche Vertreter aller etablierten Parteien vermuten bei den anderen, sich nicht an die selbstgesteckten Regeln zu halten. Der Grund: nach der Kommunalwahl müssen viele Vorsitze, Stellvertreter und Ämter der kommunalen Gremien in geheimer Wahl neu bestimmt werden. Und nun wurden in manche Posten auf einmal Vertreter der AfD gewählt. Aufgrund der geheimen Wahl kann jetzt jeder jedem Vorwürfe machen.

Wohl dem, der da die beste Glaskugel hat. Doch ist dies vermutlich erst der Vorgeschmack auf 5 Jahre, in denen viele Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen oder Kreistage mit Vertretern einer Partei und ihrer Fraktion arbeiten müssen, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wie also umgehen mit den neuen Stimmverhältnissen?

Wer stimmt mit wem?

Auf Bundes- und Landesebene werden – zumindest bis heute – zur Erlangung und Absicherung stabiler Mehrheiten Koalitionen gebildet und mittels Koalitionsvertrag ein Arbeitspapier kodifiziert, das es für die Legislaturperiode abzuarbeiten gilt. Der Schlag auf die Oppositionsbank – auch hinter der Brandmauer – geht daher relativ gut von der Hand.

Eine einfache Übertragung dieser Strategie in die kommunale Ebene entzieht sich jedoch einer dauerhaften Praktikabilität, sieht es hier bei Betrachtung der stetig wechselnden Bündnisse doch ganz anders aus. Nur in äußerst seltenen Fällen kommt es zu stabilen Koalitionen, die sich ein gemeinsames Arbeitsprogramm geben. Kommunalpolitik ist dazu wenig geeignet, da die Themenfelder zum einen viel zu basal sind und zum anderen Gemeindevertreter oft schlichtweg den ihnen gesetzlich auferlegten Auftrag zu erfüllen haben. Sie sind nicht gänzlich frei in ihrem Mandat und gelten rechtlich gesehen daher auch als „ehrenamtliche Beamte“.

Das Schlagloch in der Straße und der auszubauende Fahrradweg kennen zudem nicht wirklich immer eine politische Einordnung. Es müssen Beschlüsse gefasst werden, um konkrete Probleme zu lösen. Doch nun ist es sehr wahrscheinlich geworden, dass diese manchmal nur mit Stimmen von Vertretern zustande kommen, die nicht besonders fest auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Sozialdemokratische Politik begriff sich immer als Verteidiger der Demokratie – naturgemäß auch auf der untersten Ebene, der Kommunalpolitik. Nur wie kann das bei den neuen Mehrheiten gelingen?

Nun lassen einige die Forderung verlauten, Beschlüsse und Anträge so zu schreiben, dass zum Beispiel alle außer der AfD ihnen zustimmen könnten. Dies entspräche einer nahezu sterilen Abgrenzungsstrategie. Neben der unmöglichen Herausforderung dieser politakrobatischen Aufgabe gerecht zu werden, hieße das bei Nichtgelingen, Anträge zurückzuziehen, sobald die AfD Zustimmung signalisiert. Denkt man dies weiter, würde ihren Vertreterinnen und Vertreter quasi ein Vetorecht zugebilligt. Jedwede signalisierte Zustimmung müsste dann eine Änderung des Antrages oder dessen Zurücknahme bedeuten. In den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger würde man sich so der Lächerlichkeit preisgeben. Das kann nicht wirklich Ziel sein.

Kommunalparlamente sind keine Organe der Legislative, sondern Teil der Verwaltung, also der Exekutive. Die Kommunale Selbstverwaltung ist als Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 im Grundgesetz verankert. Auch der Begriff der Gebietskörperschaft drückt diese Selbstverwaltung der Kommune auf einem Gemeindegebiet ebenfalls sehr deutlich aus. Alle Körperschaften sind Organisationen der Selbstverwaltung. Die Organe der kommunalen Selbstverwaltung sind die Verwaltung, ihre kommunalen Unternehmen und die örtlichen kommunalen Parlamente. Sie regeln und entscheiden über örtliche Angelegenheiten. Gerade diese Tatsache macht den Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene so schwierig.

Brandmauer oder rote Linien?

Wir kommen um die Aufgabe nicht herum, dass wir uns für die nächsten fünf Jahre Gedanken machen müssen, wie eine Brandmauer auf kommunaler Ebene zu deuten und anzuwenden ist. Soviel vorab: Anstelle der Brandmauer werden wir eher rote Linien definieren müssen. Gleichermaßen ist festzuhalten, dass die Formen der Zusammenarbeit durchaus zwischen Schwarz und Weiß liegen. Daher müssen wir uns über die Arten der Kooperation klarwerden und diese in die Bereiche einer aktiven und passiven Zusammenarbeit unterteilen.

  1. Die aktive Zusammenarbeit beginnt mit der Feststellung, dass für eine Kandidatin oder einen Antrag Mehrheiten gefunden werden müssen. Eine absichtliche Kontaktaufnahme, um diese zu erlangen ist der Beginn einer aktiven Zusammenarbeit. Gemeinsame Absprachen zu Kandidaten oder ein gemeinsames Einbringen von Anträgen auch mit Vertretern von unter Beobachtung stehenden Parteien ist daher mit dem Bestreben eine Brandmauer aufrecht zu erhalten nicht zu vereinbaren. Die Abgrenzung hier ist klar: Rote Linie.
  2. Bei der passiven Zusammenarbeit beginnen die feineren Graustufen. Gelebte Kommunalpolitik zeichnet ursprünglich aus, dass sich mit jedem neuen Tagesordnungspunkt die Mehrheiten verschieben können. Aus erbitterten Gegnern werden nur wenige Minuten später wieder strategische Partner. Statt harter Gegenrede wird mit dem neuen Diskussionspunkt plötzlich ins selbe Horn gestoßen. Im Bundestag oder den Landtagen wäre dies in den Augen vieler Parteistrategen ein wahrgewordener Albtraum – in den Kommunen ist es gelebte Praxis.
  1. Wird nun ein Antrag eingebracht, der wohlwissend nur von der AfD Zustimmung und gegebenenfalls damit eine Mehrheit erhielte, sollte davon abgesehen werden. Dabei ist auch einfließen zu lassen, welche Bedeutung und in der Konsequenz Öffentlichkeitswirksamkeit die betreffende Thematik hat. Ist Verkehrsspiegel Nummer 72 nur mit Stimmen der AfD beschlossen worden, sollte sich die Strahlweite in Grenzen halten. Besondere Bedeutung kann dies aber erlangen, soweit es um originäre „rechte“ Themen geht (z. B. Migration). Anders als bei klassischen kommunalen Themen wie z.B. kommunale Infrastruktur, Kita, Sport ist hier besondere Achtsamkeit geboten. Es wäre dramatisch, wenn zum Beispiel die Einführung der Bezahlkarte nach AsylbLG nur mit den Stimmen der AfD zusammenkäme. Bei in der Vergangenheit heiß diskutierten Themen mit nicht immer klaren Mehrheiten – wir alle kennen aus unserer Praxis Beispiele – sollten demokratische Parteien eine gemeinsame Position finden. Hier nur mit Stimmen der AfD – auch ohne vorher gesuchte Absprache – durchzukommen, wäre eine rote Linie, was die passive Zusammenarbeit betrifft.
  2. In der Regel sieht man das jeweilige Abstimmungsverhalten erst am Ende einer Debatte. Findet ein Beschluss auch von weiteren Mitgliedern des Gremiums Zustimmung und die Stimmen der AfD fließen mit denen vieler anderer Fraktionen oder Gruppierungen aus dem demokratischen Spektrum letztlich mit ein, muss man den Vorgang wohl pragmatisch betrachten, selbst wenn die Stimmen entscheidend waren. Das mag einigen bitter aufstoßen. Doch ist anzuerkennen, dass die Mehrheiten nun mal so sind wie sie sind. Trotz zersplitterter Verhältnisse in den kommunalen Gremien muss eine Arbeits- aber auch Gestaltungsfähigkeit erhalten bleiben. Anderenfalls läge es in den falschen Händen, gute und sinnvolle Vorhaben scheitern zu lassen, indem eine „taktische“ Zustimmung vor der Abstimmung signalisiert wird.
  3. Das passive gemeinsame Abstimmen sollte alsdann unterbleiben, wenn absehbar ist, dass lediglich demokratiefeindliche Parteien Zustimmung signalisieren und der Antrag sogar keine Aussicht auf Erfolg hat: rote Linie.
  4. Wird ein Antrag mit mehreren Fraktionen etablierter, demokratischer Parteien und Gruppierungen eingebracht, ist Unbedenklichkeit anzunehmen.
  5. Wie verhält es sich dann mit Anträgen, die von der AfD kommen? Grundsätzlich: rote Linie! Unter welchen Bedingungen kann oder sollte sogar solchen Anträgen zugestimmt werden? Bei politischen Themen, die einer sozialdemokratischen Kommunalpolitik nicht im Kern widersprechen, empfiehlt sich die Enthaltung.
  6. In der Kommunalpolitik geht es aber nicht nur um Bauvorhaben oder Haushaltssatzungen, sondern auch um die schlichte Benennung von Mitgliedern in Ausschüsse – beispielsweise für sachkundige Einwohner. Hier sollte ebenso eine Abstufung vorgenommen werden: In Zeiten der sozialen Medien dokumentieren sehr viele inzwischen ihren Alltag aber auch ganz unverhohlen ihre demokratiefeindliche Gesinnung. Nun kann nicht von jedem vorgeschlagenen sachkundigen Einwohner ein Psychogramm angefertigt werden. Aber es lässt sich schon in einer Kurzrecherche zumindest in Erfahrung bringen, ob die aufgestellte Person eine bestimmte Gesinnung im Netz verbreitet und damit dokumentiert hat.Ist die vorgeschlagene Person also öffentlich durch verfassungsfeindliche Handlungen oder Äußerungen aufgefallen, sollte dies klar benannt und belegt werden. Übrigens ist dies Gelegenheit, um auf bestimmte Personenkreise in der AfD hinzuweisen und klar zu machen, dass diese aus gutem Grund nicht in den Informationskreis derer gelassen werden sollten, die sich besonders in nicht-öffentlichen Sitzung um sehr vertrauliche Dinge kümmern müssen. Es ist kein Geheimnis: In dieser Partei gibt es Menschen, die diesen, unseren Staat ablehnen und ihn lieber heute als morgen abschaffen wollen. Meist äußern sie dies auch in entsprechenden Medien. Eine generelle Verweigerung zur Zustimmung von Ausschussmitgliedern der AfD jedoch würde aber deren Opfer-Mythos stärken und damit das ursprüngliche Bestreben nur konterkarieren. Diese strenge Auslegung führt in der breiten Bevölkerung zu Unverständnis, was wiederum in den aktuellen Wahlergebnissen und Prognosen Ausdruck findet.

Politik als Kunst des Möglichen

Einigen Mitgliedern rechter Parteien ist zweifelsohne zu attestieren, dass sie den Nationalsozialismus relativieren oder gar wiederaufleben lassen wollen. Jene in Ämter zu bringen oder direkt wie indirekt zu unterstützen, kann ein böses Erwachen zur Folge haben. Doch Sozialdemokratie zeichnet sich immer durch abwägendes Handeln mit Augenmaß aus. Dies muss auch hier bedacht werden. Politik ist die Kunst des Möglichen. Während ehrenamtliche Kommunalpolitiker sich noch neben dem Beruf und familiären Herausforderungen um diese Dinge Gedanken machen müssen, stellt sich auch für Hauptverwaltungsbeamte die Frage, welcher Umgang der richtige ist. Das Besinnen auf eine neutrale Funktion, die die Rolle eines Vermittlers und gesetzestreuen Verwaltungsleiters zum Kern hat, ist bei zersplitterten Verhältnissen ohnehin angeraten. Nun spielt das eigene Parteibuch natürlich eine Rolle, ist aber demokratischen und rechtstaatlichen Grundsätzen unterzuordnen.

Rechte Parteien zehren sich aus der Erzählung, benachteiligt, ausgegrenzt und in ihren Rechten beschnitten worden zu sein. In Bereichen, die demokratische Grundsätze berühren und infrage stellen, muss durch einen Bürgermeister Abgrenzung deutlich gemacht werden. Im Normalbetrieb hat aber eine Einbeziehung wie mit allen anderen Mandatsträgern zu erfolgen. Anderenfalls wird Verwaltungshandeln angreifbar – und dann siegen ausgerechnet jene vor Gericht, die sonst die freiheitliche Grundordnung und Rechtsstaatlichkeit in Abrede stellen.

Die Brandmauer auf kommunaler Ebene muss anders angewandt werden. Kommunalpolitik kennt weder Regierungen noch Koalitionen. Kommunalpolitik lebt von stetig wechselnden Mehrheiten. Ihre zumeist ehrenamtlichen Vertreter sind gemeinsam mit dem oder der Hauptverwaltungsbeamtin Hüter von Recht und Verfassung. Verfassungsfeindliche Tendenzen sind klar zu bekämpfen und jene zu benennen, die nicht auf dem Boden unserer demokratischen Grundordnung stehen.

Ein wohlüberlegter Umgang unter Beachtung der hier aufgezeigten roten Linien ist für die nächsten Jahre ein probates Mittel, um kommunale Gremien unter Anbetracht der neuen Mehrheitsverhältnisse handlungs- und gestaltungsfähig zu erhalten.

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Strategien der „Neuen Rechten“ – Kontern leicht gemacht! von                                                 Inka Gossmann-Reetz, MdL
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Strategien der „Neuen Rechten“ – Kontern leicht gemacht! von Inka Gossmann-Reetz, MdL

Inka Gossmann-Reetz ist seit 2014 Mitglied des Landtages, stellvertretende Vorsitzende der SPD Fraktion, innenpolitische Sprecherin als auch Sprecherin für den Themenbereich „Bekämpfung Rechtsextremismus“ der SPD-Fraktion sowie Mitglied im Ausschuss für Inneres und Kommunales und Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission. Daneben ist sie SPD-Vorsitzende in Hohen Neuendorf, Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Hohen Neuendorf und Beisitzerin im Landesvorstand der SPD Brandenburg.

In Brandenburg und in Thüringen lagen den zuständigen Verfassungsschützern genügend Beweise vor, um die dortigen Landesverbände der AfD als sogenannte Verdachtsfälle einzustufen. Das bedeutet, dass sie als eine ernsthafte Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes anzusehen sind. Die Einstufung der AfD-Brandenburg war eine logische und zwingende Schlussfolgerung, die es dem Verfassungsschutz nun auch erlaubt, die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Damit soll der Verdachtsfall, dass es sich beim Landesverband um eine extremistische Bestrebung gegen die Verfassung handelt, geprüft werden.

Diese Einstufung ist ein Weckruf an die Gesellschaft, sich die Aktivitäten dieser Partei und ihrer verbündeten Organisationen genau anzuschauen: Die AfD in Brandenburg und in Thüringen ist Teil einer größeren Bewegung, der sogenannten „Neuen Rechten“. Im Gegensatz zu NPD, DVU oder der Neonazi-Szene in den 90er Jahren arbeiten diese Akteure intensiv und erfolgreich zusammen: Es gibt personelle und organisatorische Überschneidungen, die Akteure tauschen sich regelmäßig aus, sie professionalisieren die Kommunikation nach außen und haben durch die Wahlerfolge Zugriff auf Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung und auf die Personal- und Sachmittel, die gewählten Abgeordneten zustehen.

Die Absicht dahinter ist von den Akteuren selbst öffentlich ganz klar benannt worden: 2017 erklärte der neurechte Verschwörer Elsässer „Fünf Finger kann man immer brechen, aber zusammen sind sie eine Faust.“ Als Beispiele für die Finger nannte er Pegida, IB, AfD, 1-Prozent und Compact. Der Sinn dieser martialischen Sprache erschließt sich für die Akteure dieser Vereinigungen sofort: Die Faust als Symbol für den Kampf gegen den ihnen verhassten Staat und die von ihnen abgelehnte freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Neu ist dabei die Arbeitsteilung: Während der harte Kern der neuen Rechten intern ganz klar rechtsextremistisch auftritt, fressen die Akteure nach außen Kreide. Finden die rechtsextremen Äußerungen den Weg nach außen oder werden als rechtsextremistisch benannt, so werden die Äußerungen öffentlich als „Ausrutscher“ bezeichnet oder mit Hinweis auf irgendein anderes Thema beschönigt bzw. und die nächste Empörungswelle gestartet. Im Gegensatz zu früheren ideologischen Kämpfen zwischen rechtsextremen Vereinigungen halten sich die Akteure heute gegenseitig den Rücken frei, suchen dabei gleichzeitig den Anschluss zu weniger radikalen Bewegungen, an die sie bei emotional aufrüttelnden Themen anknüpfen wollen.

Brandenburger AfD-Vertreter halten dabei enge Kontakte zu Vereinen, die sich selbst beschönigend als „patriotische Bürgerbewegung“ bezeichnen Organisationen wie „Zukunft Heimat“, ProMitsprache, „Die Mühle Cottbus“, „Sezession“ und neurechte Blogger. Die AfD Brandenburg ist personell so eng mit diesen Organisationen verflochten, dass eine interne Abgrenzung nach rechts unmöglich erscheint – und sie ist auch offensichtlich nicht erwünscht Das sich ergebende Bild entspricht der Absicht der neurechten Verschwörer: Den rechtsradikalen Kern verschleiern, emotionale Empörung über vermeintliche Missstände schüren und radikale Kräfte in der AfD unterstützen, um über die AfD Gestaltungsmacht in den Parlamenten zu erlangen.

Darum müssen wir uns ganz klar darüber sein, wie die Propaganda dieser Akteure funktioniert, welche Zermürbungsstrategien sie anwenden und wie wir uns dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können.

Unsere Verfassung billigt Parteien eine privilegierte Rolle bei der politischen Meinungsbildung zu.  Im Anschluss soll es einen Wettbewerb zwischen den Parteien um die besten Lösungen für gesellschaftliche Fragen geben, über den die Wähler dann in allgemeinen, freien, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen abstimmen. Die AfD erkennt dieses Prinzip nicht an: Die Akteure sprechen in Bezug auf andere Parteien immer von „ den Altparteien“, die Wähler werden als „Schlafschafe“ tituliert. Das hat mit einem Wettbewerb um Sachfragen nichts mehr zu tun, sondern ist eine ganz klar abwertende Propaganda.

Unsere Verfassung garantiert das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift frei zu äußern und sich frei zu informieren, sie garantiert die Freiheit der Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit und die Freiheit der Kunst. Die AfD wiederum erkennt dieses Prinzip nicht an: Die Akteure bezeichnen Zeitungen und Rundfunksender bei ihnen missliebiger Berichterstattung als staatlich gelenkte „Lügenpresse“, sie bedrohen Journalisten. Die Verächtlichmachung von Presse und das Vertrauen in diese sukzessiv zu zerstören, ist ein gezielter Schritt zur Destabilisierung einer freien Gesellschaft.

Unsere Verfassung garantiert die Menschenwürde für alle Menschen.

Akteure der AfD äußern immer wieder öffentlich, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Abstammung oder aufgrund ihrer Religion nicht integrierbar oder kriminell seien, insbesondere die Unterstellung der „importierten sexualisierten Gewalt“.  Damit verletzen sie die Menschenwürde der Betroffenen.

Darüber hinaus garantiert die Verfassung die freie Ausübung der Religion. Akteure der AfD behaupten immer wieder, dass bestimmte Religionen nicht nach Deutschland gehören, was wiederum eine Verletzung der Religionsfreiheit ist.

Unsere Verfassung garantiert das individuelle Recht auf Asyl.

Akteure der AfD behaupten immer wieder pauschal, dass das Asylrecht eigentlich nur missbraucht werden würde, um aus wirtschaftlichen Gründen einzuwandern, und fordern daher pauschal die Abschiebung ohne Gerichtsverfahren.

Dabei garantiert die Verfassung den individuellen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten.

Unsere Verfassung garantiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Akteure der AfD behaupten, es gäbe zuviele Gleichstellungsprojekte und Frauen sollten sich auf „ihre natürliche Bestimmung“ konzentrieren, weil Deutschland ansonsten aussterben würde. Damit stellt sich die AfD aktiv gegen das Staatsziel der Gleichberechtigung.

Unsere Verfassung schreibt als Staatsziel die Verwirklichung eines vereinten Europas fest.

Akteure der AfD bekämpfen dieses Ziel. Unter dem Schlagwort „Ethnopluralismus“ fordern sie die Abgrenzung von angeblichen kulturell homogenen Staatsvölkern, die sich nicht vermischen sollten.

Nicht zuletzt verbietet unsere Verfassung, die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt einzuschränken.

Akteure der AfD fordern, dass bestimmte Grundrechte nur für Deutsche gelten sollten. Damit würde aber der Wesensgehalt der Grundrechte für Nicht-Deutsche eingeschränkt werden.

Alle diese Äußerungen verdichten das Bild, dass es sich bei der AfD nicht (mehr) um eine Partei handelt, die Sachfragen lösen will, sondern dass die Akteure dieser Partei einen vollkommen anderen Staat wollen: Einen völkischen Staat, in dem Freiheitsrechte nur für bestimmte Personen gelten, in dem der Rechtsschutz nur bestimmten Personen gewährt wird, in dem Vertreter anderer Parteien rechtlos gestellt werden sollen, in dem Presseberichterstattung, Kunst und Kultur politisch gesteuert werden. Dabei sind die Akteure nicht mehr an einer Sachdiskussion interessiert, sondern das Hauptaugenmerk liegt in der Verächtlichmachung anderer Parteien, Regierungen und demokratischer Strukturen: Die Arbeit der Akteure in den Parlamenten beschränkt sich meist auf das Einbringen von Schaufensteranträgen und das Vorbringen gezielter Provokationen, um der Anhängerschaft Raum zu geben für empörte Kommentare. Dabei wird von diesen Akteuren immer wieder das Bild von vermeintlichen „Eliten“ gebraucht, die gemeinsam mit den „Altparteien“ und der „Lügenpresse“ gegen die „wahren Interessen“ des Volkes agieren würden.

Wie also damit umgehen?

  1. Ruhe bewahren. Die AfD funktioniert nur als Empörungsmaschine.
  2. Die Provokationen ruhig und sachlich kontern. Die inhaltliche Tiefe der meisten AfD-Anträge ist sehr überschaubar.
  3. Strafbare Äußerungen von AfD-Akteuren konsequent anzeigen. In sozialen Medien die Beiträge melden und Trolle auf den eigenen Seiten konsequent blockieren.
  4. Die verfasssungsrechtlichen Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung immer wieder öffentlich kommunizieren. Die Akteure der AfD zitieren gerne unvollständig und aus dem Zusammenhang heraus gerissen.
  5. Augen auf bei Wahlen in unseren kommunalen Vertretungen oder Parlamenten. Wenn AfD-Akteure Mandate gewonnen haben, so können sie diese selbstverständlich frei ausüben. Aber es bedeutet eben nicht – wie von ihnen suggeriert wird – dass die anderen Mandatsträger die laut Geschäftsordnung den einzelnen Fraktionen zustehenden Sitze in Gremien auf Vorschlag der AfD besetzen müssen. Im Gegenteil: Es handelt sich immer um Personen, die das Vertrauen der anderen Mandatsträger erhalten müssen. Und wenn der Wahlvorschlag nicht vertrauenswürdig erscheint, dann sollte dieser auch nicht gewählt werden.
  6. Konsequenzen ziehen: Wenn AfD-Akteure in Gremien die Arbeit der Gremien sabotieren, dann sollen und müssen diese abgewählt werden.
  7. Das Umfeld im Blick haben: AfD-Akteure heuern trotz gegenteiliger Beteuerungen immer wieder Mitarbeiter an, die ganz ausgewiesene Extremisten sind und als Verbindung in die verbündeten extremistischen Vereinigungen dienen. Dies darf und muss öffentlich benannt und angeprangert werden.
  8. Lokale Aktivitäten wahrnehmen: Die „neuen Rechten“ suchen verstärkt den Anschluss an die Gesellschaft. Akteure engagieren sich in Elternvertretungen, in Sportvereinen, bei den Feuerwehren und bei Bürgerinitiativen. Sie versuchen, dort gesellschaftlich Anerkennung zu erreichen, um ihre völkische Propaganda salonfähig zu machen. Gerade im kommunalen Bereich geben sie den „guten Nachbarn“, aber dies muss vor Ort enttarnt werden.
  9. Zermürbungstaktiken erkennen und kontern: AfD-Akteure versuchen immer wieder, missliebige Personen aus der Zivilgesellschaft und Mandatsträger persönlich zu diffamieren und zu zermürben. Dazu wird die persönliche Integrität der Betroffenen in Frage gestellt, ihnen böse Absicht oder gar ein Plan zur „Abschaffung“ Deutschlands unterstellt. Diese Äußerungen können strafrechtlich relevant sein und sollten unbedingt zur Anzeige gebracht werden. Wichtig ist dabei, dass diese Strategien öffentlich gemacht werden, um die Betroffenen zu unterstützen und zu schützen.
  10. Parlamente arbeitsfähig halten: Die neurechten Akteure, torpedieren systematisch die Arbeit in den Parlamenten, indem immer wieder die gleichen Schaufensteranträge eingebracht werden oder AfD-Akteure die Behandlung missliebiger Anträge verhindern wollen. Hier empfiehlt sich eine Geschäftsordnung, die den ordnungsgemäßen Ablauf von Sitzungen und die parlamentarische Arbeit vor der Lähmung durch exzessive böswillige Anträge schützt. Denn mit der AfD ist eine neue Unkultur eingezogen, die wir bisher so nicht kannten: Es ist darum unsere Verantwortung, die parlamentarischen Abläufe mit neuen Regeln zu schützen, denn bisher haben sich alle Parteien an die traditionellen guten parlamentarischen Gepflogenheiten gehalten.
  11. Ähnlich sieht es mit Anfragen an die Verwaltungen aus: Die Verwaltung soll durch unsinnige und polemische Anfragen lahmgelegt werden, daher empfiehlt sich eine grundsätzliche Prüfung, ob die entsprechende Verwaltung überhaupt für diesen Sachbereich zuständig ist.
  12. Juristischen Rat einholen: Wir haben erfahren, dass die AfD gerne schnell mit Klagen droht, aber längst nicht so viele Prozesse gewinnt, wie sie behauptet. Die Drohung mit Klagen ist eine ganz klare Einschüchterungsstrategie, damit der politische Gegner aus Angst vor Kosten vor einer Auseinandersetzung zurück schreckt.

Es ist Aufgabe aller Demokraten, sich von den Akteuren der AfD nicht einschüchtern zu lassen: Wir haben in Europa und in Deutschland aller Unkenrufe zum Trotz ein starkes und erfolgreiches Gemeinwesen. Wir leben – aller Krisen zum Trotz – in einer der längsten friedlichen Epochen, die es jemals in Europa gegeben hat. Wir haben die Lehren aus der Vergangenheit gezogen und unsere Aufgabe ist es, denjenigen in den Arm zu fallen, die die Demokratie mit demokratischen Mitteln abschaffen wollen.

Dafür braucht es konsequent Haltung, Mut und Anstand. Und das alles haben wir in unserer sozialdemokratischen DNA.